5. Juni 2012

Was ihr schon immer über Emine Özdamar wissen wolltet

Eine interessante Autorin von "Migrationsliteratur" ist Emine Özdamar. Habe gerade einen Roman aus 1999 gelesen, "Die Brücke am goldenen Horn".  Der Roman besteht aus zwei Teilen (Der beleidigte Bahnhof und Die Brücke am goldenen Horn) und handelt von einem türkischen Mädchen, das in den 1970ern nach Deutschland kommt um hier in einer Fabrik zu arbeiten. Sie will
in Deutschland Geld für ihr geplantes Schauspiel Studium in Istanbul erarbeiten. Als sie nach Deutschland kommt, spricht sie die Sprache nicht und ahmt zu Beginn Wörter nur nach (Mimikry) oder lernt Überschriften aus Zeitungen auswendig und wirft einfach so ins Gespräch. So wird aus Wohnheim "Wonaym". Die ironisierende Sprache zieht sich übrigens durch den ganzen ersten Teil. Sie wohnt in einem Wohnheim mit anderen Mädels zusammen und sieht sich viel von der Aussenwelt. Sie hat einen Tunnelblick, der sich erst später löst. Sie beginnt eine Routine zu entwickeln, die sich ständig wiederholt. Erst als ein neuer Heimleiter, ein ehemaliger Schauspieler, kommt, wird die Lage etwas besser. Sie und ihre Freundinnen gehen aus, lernen Deutschland kennen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kehrt die ICH Erzählerin (übrigens ein autodiegetischer Erzähler)  in die Türkei zurück um wenig später wieder nach Deutschland zurückzukehren um dort einen Sprachkurs zu absolvieren. Sie lernt Jordi, einen hübschen Spanier kennen und lieben. Die Liebesgeschichte endet aber leider tragisch. Jordi verschwindet, sie ist schwanger und treibt ab.

Im zweiten Teil, der Diskrepanzerfahrungen fokussiert, sind Istanbul und Südanatolien Hauptschauplätze des Geschehens. Die Schauspielerin hat sich von anfänglichen Shakespeare Texten zu Berthold Brechts Epischem Theater vorgearbeitet. Die politische Bewusstseinsmachung im zweiten Teil spielt auch eine grosse Rolle. Die ICH Erzählerin versteht, dass ihre auswendig gelernten politischen Parolen keine Wirkung auf die Bauern in Südanatolien haben und stürzt in ein tiefes Loch. Sie sieht ihre Muttersprache sehr kritisch; ihre Zunge ist "gespalten" wie ihre Eltern sagen. Gespalten von den beiden Sprachen (türkisch und deutsch) die sie fliessend beherrscht. Die türkische Nachtigall und der deutsche Papagei sprechen aus ihr.


Das Ende, der Abriss der alten Brücke am goldenen Horn und der Bau der neuen Brücke symbolisiert einen Neubeginn. Einen Neubeginn, den Özdamar in Deutschland startetet.

Heute lebt Emine Özdmar als freie Autorin in Deutschland.

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